Geopolitik, hybride Bedrohungen und verwundbare Lieferketten – Unternehmenssicherheit ist heute strategischer denn je. Im Interview gibt Björn Hawlitschka von der MACONIA GmbH Einblicke in aktuelle Bedrohungsszenarien und praxisnahe Empfehlungen.
Herr Hawlitschka, inwiefern sind Unternehmen heute stärker von geopolitischen Risiken betroffen als noch vor zehn Jahren?
Björn Hawlitschka: Ich habe Politikwissenschaft studiert und war dann lange an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik tätig. Bereits dort haben wir mit einem erweiterten Sicherheitsbegriff gearbeitet, bei dem Vernetzung und strategisches Denken eine große Rolle spielen. Heute merken wir deutlich, dass geopolitische Risiken komplexer geworden sind. Früher konnten sich Unternehmen den Luxus leisten, IT und Sicherheit strikt zu trennen – das ist heute unvorstellbar. Konflikte wie der Ukraine-Krieg, die Pandemie oder Lieferkettenprobleme haben uns gezeigt, wie anfällig unsere Systeme sind. Schon ein querstehender Frachter im Suezkanal reicht, um ganze Produktionsketten lahmzulegen.
Warum geraten kritische Infrastrukturen und Unternehmen zunehmend ins Visier von Staaten oder nichtstaatlichen Akteuren?
Björn Hawlitschka: Wir beobachten zwei Stränge – einerseits klassische, wirtschaftlich motivierte Cyberkriminalität – wie bei dem Darkside-Angriff auf die Colonial Pipeline 2021. Andererseits aber auch zunehmend politisch motivierte Sabotage. Beide Stränge sind gefährlich. Besonders perfide wird es, wenn Angriffe hybride Formen annehmen, also physische und digitale Sabotage kombiniert werden. Die Motivation reicht von wirtschaftlicher Erpressung bis hin zur gezielten Destabilisierung ganzer Gesellschaften.
Welche Branchen sind besonders gefährdet, und welche Bedrohungsszenarien sehen Sie aktuell als besonders kritisch?
Björn Hawlitschka: Natürlich sind klassische Branchen wie Energie, Chemie oder Tech besonders im Fokus. Aber auch kleinere, mittelständische Unternehmen oder kommunale Einrichtungen sind angreifbar – zum Beispiel durch Ransomware. Besonders kritisch ist, wenn bei solchen Angriffen Sozialleistungen nicht mehr ausgezahlt werden können. Das untergräbt das Vertrauen in den Staat und kann gesellschaftliche Spannungen verstärken.
Sehen Sie einen Trend zur gezielten hybriden Bedrohung, also der Kombination aus physischer Sabotage und Cyberangriffen?
Björn Hawlitschka: Absolut. In der Ukraine haben wir bereits 2015 die Kombination aus Cyberangriffen und physischen Sabotageakten gesehen. Diese Form der Bedrohung wird zunehmen, weil sie besonders effektiv ist.
Welche grundlegenden Sicherheitsmaßnahmen sollten Unternehmen ergreifen, um sich gegen digitale Bedrohungen abzusichern?
Björn Hawlitschka: Wichtig ist eine solide Risikoanalyse, die alle Geschäftsprozesse abbildet. Dazu gehört zuvor die Business Impact Analyse: Welche Prozesse sind besonders kritisch? Wie lange dürfen sie ausfallen? Und: Patchmanagement! Das klingt banal, aber viele Schwachstellen entstehen, weil verfügbare Sicherheitsupdates nicht eingespielt wurden. Auch Sensibilisierung der Mitarbeitenden spielt eine große Rolle – denn der Mensch ist sowohl größte Schwachstelle als auch wichtigste Ressource.
Wie lassen sich physische Sicherheitsmaßnahmen effektiv mit Cyberabwehrstrategien verzahnen?
Björn Hawlitschka: Der Zero-Trust-Ansatz ist hier sehr hilfreich – nicht nur in der IT, sondern auch physisch: Niemandem blind vertrauen, auch wenn jemand im Gebäude ist. Awareness muss in allen Bereichen geschult werden. Viele Firmen schützen den äußeren Ring sehr gut – aber sobald jemand drinnen ist, kann er sich frei bewegen. Das ist ein Risiko.
Gibt es Best Practices oder konkrete Beispiele aus der Unternehmenswelt, die als Vorbild für Sicherheitsstrategien dienen können?
Björn Hawlitschka: Microsoft mit seinem Zero-Trust-Modell ist ein gutes Beispiel. Oder Toyota, die nach Fukushima ihre Lieferkettenstrategien überarbeitet haben und heute mit mehr Redundanz planen. Wichtig ist, dass man nicht nur reaktiv ist, sondern aus Krisen lernt.
Welche Maßnahmen würden Sie Unternehmen empfehlen, die erst am Anfang einer professionellen Sicherheitsstrategie stehen?
Björn Hawlitschka: Der erste Schritt ist, die eigenen Prozesse kennen. Ohne zu wissen, wie die eigene „Burg“ aussieht, kann man sie auch nicht schützen. Dann folgt eine Business Impact Analyse. Und schließlich sollte man realistische Notfallübungen durchführen. Auch Red Team Tests – also externe Angriffe zur Schwachstellenerkennung – sind sehr empfehlenswert.
Wie sollten Unternehmen mit der Herausforderung umgehen, dass Sicherheitsmaßnahmen oft als Kostenfaktor und nicht als Investition betrachtet werden?
Björn Hawlitschka: Ich empfehle zwei Rechenmodelle: Erstens – wie teuer wäre ein realer Schaden? Zweitens – welche Geschäfte entgehen mir, wenn ich keine Zertifizierungen oder ISMS/BCM-Systeme vorweisen kann? Immer mehr Kunden – gerade aus der Bankenwelt – verlangen Sicherheitsnachweise. Wer da nichts vorzuweisen hat, verliert Aufträge.
Welche physischen Sicherheitsmaßnahmen sind besonders wichtig für Unternehmen mit verteilten Standorten oder hybriden Arbeitsmodellen?
Björn Hawlitschka: Bei mehreren Standorten sollte klar geregelt sein, wer in welcher Situation zuständig ist – insbesondere ab welcher Vorfallschwere die „Zentrale“ übernimmt: Bereits im Notfall oder erst in einer Krise? Es braucht dazu definierte Eskalationsstufen. Und natürlich auch regelmäßige Notfallübungen – sowohl lokal als auch zentral. Wichtig ist: Auch kleine Vorfälle können große Auswirkungen haben. Deshalb ist Vorbereitung alles.
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