Einbruchmeldeanlagen sind oft der erste technische Baustein eines Sicherheitssystems – doch ohne ein durchdachtes Alarmmanagement bleiben sie in ihrer Wirkung begrenzt. In einem ganzheitlichen 360-Grad-Sicherheitsansatz kommt es darauf an, Detektion, Bewertung und Reaktion lückenlos miteinander zu verzahnen. Nur so lassen sich isolierte Insellösungen vermeiden und Sicherheitsprozesse effizient steuern.
Torsten Hiermann von CriseConsult erläutert, wie Einbruchmeldesysteme sinnvoll in ein wirkungsvolles Alarmmanagement eingebettet werden – und warum regelmäßige Alarmübungen dabei ein oft unterschätzter Erfolgsfaktor sind.

Wie sollte ein effektives Alarmmanagement in einem 360-Grad-Sicherheitsansatz integriert sein, um isolierte Insellösungen zu vermeiden?

Torsten Hiermann: Im militärischen Kontext kennen wir den Begriff der „Actionable Intelligence“, was so viel bedeutet, wie: Die Aufklärung, die Information, muss in der Qualität vorliegen, dass sie auch verarbeitet und in Handlungen umgesetzt werden kann. Auf die Frage bezogen, also: Es gibt keinen 360-Grad-Sicherheitsansatz ohne ein effektives Alarmmanagement. Denn was nutzt die beste Detektion, wenn die Prozesse und Strukturen ‚dahinter‘ nichts taugen? Und natürlich: Alarmmanagement beginnt mit der Planung passgenauer Sicherheitssysteme. Das Schutzniveau muss also definiert sein. Dann folgen die technischen Lösungen. Zu guter Letzt gilt es, die Detektion von Ereignissen an Maßnahmen zu koppeln. Die können technischer Natur sein, beispielsweise mit Blick auf die Gebäudeautomatisierung. Oder auch organisationaler, im Sinne einer Intervention durch Sicherheitskräfte.

Welche typischen Schwachstellen von Einbruchmeldesystemen beobachten Sie bei KRITIS-Betreibern im Alltag?

Torsten Hiermann: Die Technik ist hier weniger das Problem. Vielmehr geht es darum, die Detektion in Aktion, ggf. in Intervention umzusetzen. Und insbesondere, wenn es um Intervention geht, beispielsweise durch die Entsendung von Kräften an Ereignisorte, stößt die Unternehmenssicherheit hier und da an Grenzen. Manpower und Interventionszeiten, also schnelles Eingreifen, sind häufig die Determinanten. Täter warten nicht auf Interventionskräfte. Also muss das weitere Bewegungsprofil von Eindringlingen erfasst und in Echtzeit den eigenen Kräften mitgeteilt werden. Idealerweise wird zudem der Aktionsraum von Tätern eingeschränkt, zum Beispiel durch Lockdowns. Technische Möglichkeiten dazu sind vorhanden. Aber dafür sind natürlich auch entsprechende Investitionen erforderlich. Und hier schließt sich ein Kreis: Denn die technischen Möglichkeiten auszureizen muss in Relation zur Risikoanalyse, zur Gefährdung stehen. Und ich will noch einen Bogen spannen: Das Alarmmanagement beschreibt die Prozesse nach Ereigniseintritt. Es gilt jedoch, das Ereignis zu verhindern oder zumindest zu erschweren.

„Versagt die Alarmierungskette als single point of failure, verliert der ganze Prozess dahinter an Wirkung.“

Torsten Hiermann
CriseConsult

Inwieweit kann eine Einbruchmeldeanlage bestehende Risiken sogar verschärfen, etwa durch Fehlalarme?

Torsten Hiermann: Prozesse oder Maßnahmen, die nicht aufeinander abgestimmt sind, wirken nicht als Ganzes. So führen Fehlalarme zu einer Abnutzung der Awareness. Beispiel: Ein ständig wiederkehrender Feueralarm wird irgendwann nicht mehr ernst genommen. Die Zuverlässigkeit der Sicherheitssysteme spielt also eine wesentliche Rolle für die Wirksamkeit der sich der Alarmmeldung anschließenden Maßnahmen.

Wie können moderne Technologien wie KI-gestützte Detektion die Effizienz und Reaktionsgeschwindigkeit im Alarmmanagement verbessern?

Torsten Hiermann: Die Technologie-Sprünge gerade im Bereich der KI verlaufen rasant. Das wird Auswirkungen auf Sicherheitstechnologien haben. Die intelligente Videoüberwachung mit verhaltensbasierter Erkennung ist ein Beispiel. Predictive Policing ein anderes. Letztlich kann man es jedoch auf den folgenden Nenner bringen: Je früher eine Bedrohung als solche erkannt wird, auch bereits in der Phase einer potenziellen Situation, desto eher kann reagiert – agiert (sic!) werden. Soweit die gute Nachricht. Die schlechte lautet: Auch Täter entwickeln ihre Fähigkeiten weiter. Um die Sache mal rund zu machen: Moderne Technologien sind in vielfacher Hinsicht hilfreich. Der physische Schutz darf dabei aber nicht zu kurz kommen.

Welche Bedeutung hat die regelmäßige praktische Erprobung von Alarmabläufen (z. B. Alarmübungen) für die tatsächliche Wirksamkeit von Sicherheitskonzepten?

Torsten Hiermann: Das lässt sich mit Benjamin Franklin einfach beantworten: „If you are failing to prepare, you‘re preparing to fail“. Spezialeinsatzkräfte trainieren. Notfallmediziner. Piloten. Sicherheitsdienste. Chemieanlagen- und Kraftwerksbeschäftigte . . . Zudem: Eine Alarmierungsübung ist eine der am einfachsten durchzuführenden Übungen. Während umgekehrt eine fehlgeschlagene Alarmierung fatale Folgen haben kann. Versagt die Alarmierungskette als single point of failure verliert der ganze Prozess dahinter an Wirkung.

Interviewpartner

Torsten Hiermann ist Gründer der auf Krisen- und Sicherheitsmanagement spezialisierten Beratungskanzlei CriseConsult. Er berät Unternehmen, Kommunen und staatliche Institutionen – fundiert durch langjährige Erfahrung in operativen Rollen innerhalb von Notfall- und Krisenstäben. Zudem ist er als Dozent für die Akademie für Krisenmanagement (AKNZ), als Lehrbeauftragter an der Universität Münster sowie als Offizier der Bundeswehr tätig. Im Sicherheitsmanagement verfolgt er einen ganzheitlichen 360-Grad-Ansatz – mit dem Anspruch, dass Sicherheitsniveau und Bedrohungspotenzial stets im angemessenen Verhältnis stehen. www.criseconsult.de

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